© Flurin Pestalozzi
Mysterium Metaverse
Die Tech-Szene ist aufgewühlt. Der nächste Durchbruch: das Metaverse. Ein Begriff, den noch vor kurzer Zeit kaum jemand kannte, wurde über Nacht bekannt.
Von Anna Nüesch und Flurin Pestalozzi, 28.11.2022
Das gleiche Thema aber länger
Lockdown 2020. Viele Menschen müssen zu Hause bleiben und können nicht mehr an gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen. Die Event-Branche steht still. Und trotzdem findet zu diesem Zeitpunkt ein Konzert statt, das an Dimension kaum zu übertreffen ist. Der Rapper Travis Scott gab im Game Fortnite das erste digitale Konzert – mit über 12 Millionen Zuschauer*innen weltweit. So viele Besucher*innen wären an einem Konzert vor Ort undenkbar. Das Youtube-Video des Konzerts wurde knapp 200 Millionen mal geklickt. Laut verschiedenen Medienberichten verdiente Scott rund 20 Millionen Dollar für das Konzert und den dazugehörigen Merchandise-Verkauf. Digitale Konzerte werden lukrativ.
Digitale Parallelwelten werden immer beliebter. Die Corona-Pandemie verhalf dem Metaverse zu einem grossen Schub, da sich immer mehr Lebensbereiche in der digitalen Welt abspielten. Und die Veranstalter*innen haben Blut geleckt – viele Konzerte und mittlerweile auch viele andere Events folgten. Aber auch Radios, Gottesdienste oder digitale Kleiderläden versuchen aktuell, im Metaverse durchzustarten. Leute kaufen teures, digitales Land, lassen sich für das Metaverse versichern oder treffen sich auf einer digitalen Blumenwiese, um Zeit miteinander zu verbringen.
Doch gehen wir nochmals einen Schritt zurück: Im Oktober 2021 explodierten die Suchanfragen nach dem Begriff «Metaverse» auf Google. Die digitalen, dreidimensionalen Plattformen, welche das Metaverse bilden, stehen im Rampenlicht. Genau zu diesem Zeitpunkt stellt Facebook seine Visionen für das Metaverse vor.
Die Zahlen des Marketingtools Semrush zeigen den markanten Anstieg des Suchbegriffs «Metaverse».
Facebook wurde zu Meta umbenannt und prägte somit die Bekanntheit des Begriffs Metaverse. Es gibt jedoch auch viele Metaverse-Plattformen, die nichts mit dem Unternehmen Meta zu tun haben. Meta und Metaverse sind zwei unterschiedliche Dinge, werden aber oft gleichgesetzt oder verwechselt.
Nicht nur Mark Zuckerberg beginnt über die Zukunft zu spekulieren, auch die Tech-Szene ist überzeugt. Zahlreiche Blog-Artikel und Videos zum Thema werden veröffentlicht. Eine weitere Entwicklung des Internets habe begonnen.
Um dies zu veranschaulichen: Zwischen 1990 und 2000 wurde das kommerzielle Internet verbreitet: Das Web 1.0. Und genau mit der aktuellen Diskussion um ein neues Internetzeitalter kommt der Begriff Web 3.0 auf.
Die Entwicklung des Internets: Web 1.0 bis Web 3.0
Web 1.0… bezeichnet die Anfänge des Internets. Nutzer*innen surfen auf statischen Webseiten im Netz, es gibt keine interaktiven Elemente auf den Webseiten.
Web 2.0… kommt etwa zur Zeit der Sozialen Medien auf. Nutzer*innen generieren selbst Content für Plattformen, sogenannten User-Generated-Content. Medien wie Fotos und Videos können auch von «Nicht-Expert*innen» einfach bereitgestellt und geteilt werden.
Web 3.0… bezeichnet das Internet, das immer immersiver wird. Es geht weniger um den Konsum und das Teilen von Inhalten, eine aktive Teilnahme auf den Plattformen steht im Vordergrund. Verschiedene Aktivitäten können auf den Plattformen ausgeübt werden. Getrieben wird das Web 3.0 von Künstlicher Intelligenz und Virtual Reality.
Das Internet verlegt sich immer mehr in den dreidimensionalen Raum. Eine einheitliche Erklärung für das «Metaverse» ist schwierig zu finden. Doch eigentlich gibt es schon seit einigen Jahren Plattformen, die dem Metaverse entsprechen. In der Gaming-Welt ist es schon länger möglich, auf Plattformen mit künstlich erstellten Figuren, sogenannten Avataren, mit anderen Teilnehmer*innen zu interagieren und gemeinsam ein Spiel zu spielen. Ein Beispiel für eine solche Gaming-Welt ist das Game Fortnite.
VR-Brillen, wie hier die Quest 2 von Oculus, sind der verbreiteste Weg, um einen Zugang zu den Metaverse-Plattformen zu haben. © Flurin Pestalozzi
Virtual Reality (VR) spielt bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle. Das Internet wird erlebbarer, unter anderem wegen VR-Brillen. Mit diesen Brillen ist es möglich, komplett in eine andere Welt einzutauchen und den realen Raum, in dem sich der Körper findet, komplett zu vergessen. Es wird plötzlich möglich, alleine oder mit Freunden mit einem Kanu in einem Fluss der Antarktis zu paddeln, während man eine schnatternden Kaiserpinguin-Kolonie beobachtet.
Es ist somit möglich, mit anderen Teilnehmer*innen auf der Plattform zu interagieren und sogar mit ihnen zu sprechen. Doch diese Entwicklungen sind mit vielen Gefahren verbunden. Wer hat Zugriff auf unsere Daten? Wer entscheidet, was man auf einer Plattform tun darf und was nicht? Wo sind die Grenzen der digitalen Existenz?
All diese Fragen werden aktuell heiss diskutiert und es gibt noch keine klaren Antworten darauf. Und genau das macht der aktuelle Zeitpunkt wegweisend: Expert*innen beraten darüber, welche Verantwortungen und Regeln diese Plattformen und auch die Teilnehmer*innen in Zukunft übernehmen müssen. Konkrete Antworten gibt es bisher wenige. Was es gibt, sind immer mehr offene Fragen.
Einen tieferen Einblick in das Mysterium Metaverse gibt es im hinteren Teil, im HILA.