Bergsee

Der Speichersee Räterichsbodensee, unterhalb vom Grimselsee. © Niklas Eschenmoser

Zwischen Stauen

und Schützen

Neue Wasserkraftprojekte üben Druck auf geschützte Naturräume aus. Was ist wichtiger: Der Nutzen oder der Schutz einer Landschaft?

Von Niklas Eschenmoser, 12.12.2022

Das gleiche Thema aber länger

Mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie wollen Bundesrat und Parlament die erneuerbaren Energien im Eiltempo ausbauen. Dafür stehen 15 neue Wasserkraftprojekte in der Schweiz zur Diskussion. Das Ziel: Bis 2040 sollen zusätzlich zwei Terawattstunden saisonale Speicherproduktion mit Wasserkraft erreicht werden. Momentan dienen die Stauseen als Stromspeicherung für die Wintermonate, in denen weniger Erträge aus Wind- und Solarenergie erzielt werden.

Die Bauten greifen jedoch stark in zum Teil geschützte Gebiete, wie am Gornergletscher, ein. Widerstand kommt von den Umweltverbänden. Diese sehen die Wasserkraft nicht per se als «grün».

Die schmelzenden Gletscher hinterlassen Schwemmebenen, mit vielfältiger Vegetation und hoher Biodiversität.

Mit dem Bau eines Stausees werden die Landschaften in den Gletschervorfelder geflutet. Doch diese Landschaften werden für die Artenvielfalt immer wichtiger.

Zukünftig werden Gletschervorfelder immer wichtigere Rückzugsgebiete für Arten, die aufgrund der Hitze in höher gelegene Gebiete abwandern müssen.

Fluss

Der Gornerbach unterhalb des Gornergletschers © Niklas Eschenmoser

Schwemmebene

Gletschervorfeld mit Schwemmebene am Gaulisee © Niklas Eschenmoser

Durch den schrittweisen Wegfall der Atomenergie müssen wir in den nächsten Jahrzehnten 45-50 Terawattstunden mit erneuerbaren Energien kompensieren.

Darum macht die Politik Druck: Im September 2022 hat der Nationalrat beschlossen, die normalen Rechtsverfahren für neue Energiebauten teilweise auszuhebeln.

Die Umweltverbände schreien auf: «Das sind unsere aller wertvollsten Schutzgebiete, die nur gerade zwei Prozent der Landesfläche ausmachen, aber ein Drittel aller bedrohten Tier- und Pflanzenarten beherbergen», sagt Julia Brändle, Gewässerschutz Expertin des WWF, gegenüber der Wochenzeitung.

Die Schweiz muss im Winter Strom aus dem Ausland importieren, um nicht in eine Mangellage zu kommen. Nadja Ruch vom Wasserkraftunternehmen KWO hält das Szenario, dass die Schweiz zukünftig zu wenig Strom im Winter hat für realistisch. Durch die Umstellung auf die Erneuerbaren Energien werde das Stromnetz mit grösseren Unregelmässigkeiten konfrontiert. Wind- und Solarenergie sind stark Wetterabhängig und liefern in den Sommermonaten am meisten Strom. Mit den Speicherseen kann die Schweiz auch im Winter schnell grosse Mengen Strom produzieren und das Stromnetz stabilisieren.

Die Wasserkraft liefert 57% des Schweizer Stroms und ist somit die wichtigste einheimische Stromquelle. Trotz des rasanten Gletscherrückgangs wird die Schweiz aufgrund der hohen Niederschlagsmenge in den Alpen noch einige Jahrzehnte von der Wasserkraft profitieren.

Obwohl mehr als 95% des nutzbaren Potenzials der Wasserkraft in der Schweiz bereits genutzt werden, wie der WWF sagt, sind weitere Bauprojekte geplant.

Mit der Energiewende wird der Druck auf die letzten unberührten Landschaften höher, denn wie die Schweiz zukünftig ohne den AKW Strom versorgt wird, ist vielen noch unklar.

Das folgende Video zeigt die Landschaften in denen zwei neue Wasserkraftprojekte geplant sind. Der Gornergletscher bei Zermatt im Wallis und der Triftgletscher in den Berner Alpen.

(Video: Niklas Eschenmoser)

Im HILA erwartet dich eine Bildserie und eine umfangreiche Recherche.